Rechtsanwältin Jutta Gass
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Die Interessenabwägung beim Härtefall einer Eigenbedarfskündigung ist immer eine Einzelfallentscheidung

Die Interessenabwägung beim Härtefall einer Eigenbedarfskündigung ist immer eine Einzelfallentscheidung

Bei Eigenbedarf hat der Mieter normalerweise wenig Chancen. Es sei denn, es handelt sich um einen Härtefall. Muss beispielsweise eine demente Berliner Seniorin für eine junge Familie die Wohnung räumen? Der Bundesgerichthof entscheided in gleich zwei Fällen.

Ein Paar wohnt in einer Zweizimmerwohnung. Es kommt Nachwuchs, mit zwei Kindern wird es eng. Die junge Familie will in die vor Kurzem gekaufte 73 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung in Berlin ziehen. Doch da wohnt eine 80-Jährige. Ihr halbes Leben lang schon. Die Mieterin ist dement. Sie will nicht raus und wehrt sich gegen die Eigenbedarfskündigung. Wer braucht dringender die Wohnung? Diesen und einen weiteren Fall prüft heute der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Aus Sicht des Landgerichts Berlin ist die Eigenbedarfskündigung wirksam. Doch räumen muss die alte Dame die Berliner Wohnung trotzdem nicht. Die Frau, die dort mit zwei erwachsenen Söhnen lebt, fände sich woanders vielleicht nicht mehr zurecht. Außerdem ist bezahlbarer Ersatz in Berlin rar. Das Gericht sieht einen Härtefall. Mit seiner Revision vor dem BGH will der Vermieter – der Familienvater – nun die Räumung durchsetzen (VIII ZR 180/18).

Der Verweis auf Härtefall kann Mieter schützen.
Der zweite Fall spielt in einem 9000-Seelen-Ort in Sachsen-Anhalt. In Kabelsketal wehren sich zwei Mieter gegen den Rauswurf aus einer Doppelhaushälfte. Die Eigentümerin meldete Eigenbedarf an: Sie will mit ihrem Lebensgefährten einziehen – ursprünglich, um die pflegebedürftige Großmutter in der Nähe besser zu unterstützen. Inzwischen ist die Oma tot. Die Mieter, die seit 2006 mit zwei Verwandten in dem Haus wohnen, sehen den Eigenbedarf vorgeschoben. Auch halten sie einen Umzug aufgrund schwerer Erkrankungen für nicht zumutbar. Angeführt werden Parkinson, Depression, chronische Wirbelsäulenbeschwerden, 50-prozentige Behinderung sowie eine Pflegestufe II und Alkoholkrankheit.

Das Landgericht Halle hält den Umzug dennoch für zumutbar und bestätigt den Eigenbedarf. Dagegen legen die Mieter Revision beim BGH ein (VIII ZR 167/17). Zwei Fälle, die das höchste deutsche Zivilgericht nun zum Anlass nimmt, eine Regelung unter die Lupe zu nehmen: die Härtefall-Klausel bei Eigenbedarfskündigungen.

Nach dem Gesetz kann ein Vermieter einem Mieter kündigen, wenn er Eigenbedarf für sich, seine Familie oder Angehörige seines Haushalts geltend macht. Der Mieter kann sich dagegen unter Verweis auf einen Härtefall wehren.

Interessenabwägung immer Einzelfallentscheidung
Doch wann ist das der Fall? Laut Gesetz zum Beispiel, wenn eine angemessene Ersatzwohnung nicht zu zumutbaren Bedingungen beschafft werden kann. Nach Ansicht von Ulrich Ropertz, Geschäftsführer beim Deutschen Mieterbund (DMB), müssten auch Kriterien wie hohes Alter und Krankheit grundsätzlich schwerer wiegen als Vermieterinteressen. Bei schwerer Krankheit und Demenz haben Mieter auch aus Sicht von Beate Heilmann, Wohnrechtsexpertin beim Deutschen Anwaltverein, gute Karten. Dies bedeutet aber für sie nicht, dass Alt immer Jung sticht: „Wenn ein 65-Jähriger drei Mal die Woche schwimmen und Sport treiben kann, kann er auch umziehen.“

„Die Interessenabwägung ist immer eine Einzelfallentscheidung“, räumt Ropertz ein. Doch das Problem betrifft viele. Der Geschäftsführer des Mieterbunds geht von derzeit 80.000 Eigenbedarfskündigungen im Jahr aus und kritisiert: „Die Gerichte haben in den letzten Jahren die Eigenbedarfskriterien stark aufgeweicht.“ Der Präsident von Haus & Grund Deutschland, Kai H. Warnecke, warnt hingegen vor „einseitiger Stimmungsmache“. Ihm zufolge gehen Streitigkeiten zu Wohnraummietsachen – dazu zählen Eigenbedarfskündigungen – kontinuierlich zurück. So seien 2017 mit 217.801 Fällen 18 Prozent weniger als vier Jahre zuvor vor Gericht verhandelt worden.

Wenn die junge Familie vor dem BGH unterliegt, ist das aus deren Sicht natürlich ungerecht und stellt sie vor ganz erhebliche Probleme, sagt Warnecke. Potenzielle Käufer, die eine Wohnung irgendwann mal selbst nutzen wollen, müssen nach seiner Erfahrung jedenfalls bereits beim Kauf eines im Blick haben, „dass Eigenbedarf nicht immer ganz einfach umsetzbar ist“.

Bei der mündlichen Verhandlung vor einigen Wochen deutete es sich an, dass die Urteile vom BGH aufgehoben werden. In beiden Fällen vermissten die höchsten deutschen Zivilrichter eine gründliche Prüfung. Welche Verschlechterung durch einen Umzug für einen Mieter konkret zu befürchten sei, müsse notfalls ein Gutachter klären.

Verjährung im Mietrecht wegen Veränderungen oder Verschlechterung der Mietsache

Verjährung im Mietrecht wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache

BGB § 548 Abs. 1

Die Verjährung von Ansprüchen des Vermieters beginnt nach § 548 Abs. 1 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. Das setzt grundsätzlich zum einen eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus. Zum anderen ist eine vollständige und unzweideutige Besitzaufgabe des Mieters erforderlich (im Anschluss an Senatsurteil vom 19. November 2003 – XII ZR 68/00).

Hintergrund:

Mit Urteil vom 27. Februar 2019 (Az. XII ZR 63/18) hat der BGH seine Auffassung bestätigt, dass der Zurückerhalt der Mietsache im Sinne des § 548 Absatz 1 BGB zum einen eine Änderung des Besitzverhältnisses zugunsten des Vermieters voraussetzt.

Zum anderen muss der Mieter seinen Besitz vollständig und unzweideutig aufgegeben haben.

Erst wenn diese beiden Punkte erfüllt sind, beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Der BGH ließ bei seiner Entscheidung aber erneut bewusst offen, unter welchen Voraussetzungen die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, wenn der Mieter die Rückgabe der Mietsache anbietet, der Vermieter diese aber nicht annimmt.

Im konkreten Fall hatte das Land Brandenburg den Mietvertrag über ein Gerichtsgebäude gekündigt. Im Nachgang kam es zu Unstimmigkeiten über den Umfang der Rückbaupflichten. Das Land bot dann dem Vermieter schriftlich die sofortige Rückgabe der Mieträume an. Im späteren Klageverfahren erhob das Land mit Verweis auf dieses Rückgabeangebot die Einrede der Verjährung. Der BGH lehnte dies ab. da sich aus dem Wortlaut des „Rückgabeangebot“ ergab, dass das Land Brandenburg selber noch Abstimmungsbedarf hinsichtlich etwaiger Rückbauten sah, die vor einer Rückgabe geklärt werden sollten. Eine vollständige und endgültige Aufgabe des Besitzrechtes konnte dem Schreiben daher nicht entnommen werden, so dass es sich trotz der Bezeichnung nicht um ein echtes Rückgabeangebot handelte.

Umlage von Verwaltungskosten bei der Wohnraummiete

Umlage von Verwaltungskosten bei der Wohnraummiete

Hiermit möchte ich Sie auf folgende, am 24. Januar 2019 veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinweisen:

BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 – VIII ZR 254/17

Leitsatz:

Eine in einem formularmäßigen Wohnraummietvertrag gesondert ausgewiesene Verwaltungskostenpauschale stellt eine zum Nachteil des Mieters von § 556 Abs. 1 BGB abweichendeund damit gemäß § 556 Abs. 4 BGB unwirksame Vereinbarung dar, sofern aus dem Mietvertrag nicht eindeutig hervorgeht,

dass es sich bei dieser Pauschale um einen Teil der Grundmiete (Nettomiete) handelt.

Hintergrund: Mietvertrag weist Verwaltungskostenpauschale aus

In dem entschiedenen Fall verlangt der Mieter einer Wohnung in Berlin von der Vermieterin die Rückzahlung von Verwaltungskosten.

Im Formularmietvertrag hatten die Parteien unter § 7 Nr. 1 als „Miete nettokalt“ 1.499,99 Euro vereinbart. Ebenfalls in § 7 Nr. 1 ist festgehalten, dass der Mieter eine Verwaltungskostenpauschale in Höhe von „z. Zt. 34,38 Euro“ zahlt.

Weiter sieht der Mietvertrag Vorauszahlungen auf die Betriebs- und Heizkosten vor. In § 20 des Mietvertrages ist die vom Mieter zu zahlende Mietkaution mit 4.499,97 Euro beziffert.

Von Juli 2015 bis Januar 2017 zahlte der Mieter auch die Verwaltungskostenpauschale, insgesamt 601,65 Euro. Diesen Betrag verlangt er von der Vermieterin zurück, weil er die Vereinbarung im Mietvertrag für unwirksam hält.

Die Vermieterin meint, die Verwaltungskostenpauschale sei Bestandteil der Nettomiete, auch wenn sie gesondert genannt sei.

Die BGH-Entscheidung: Verwaltungskosten sind nicht umlagefähig

Die Vermieterin muss die pauschal gezahlten Verwaltungskosten zurückzahlen, denn die diesbezügliche Vereinbarung ist gemäß § 556 Abs. 4 BGB unwirksam.

Bei der Wohnraummiete kann der Vermieter über die Grundmiete hinaus nur Betriebskosten pauschal oder abrechnungspflichtig auf den Mieter umlegen, nicht aber Verwaltungskosten oder andere Kostenarten. Die umlagefähigen Betriebskosten ergeben sich abschließend aus dem Katalog aus § 2 Betriebskostenverordnung (BetrKV). Verwaltungskosten sind nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV ausdrücklich keine Betriebskosten, die auf den Mieter umgelegt werden können.

Die Vermieterin kann sich hier auch nicht darauf berufen, dass sie im Mietvertrag mit der gesonderten Nennung von Verwaltungskosten lediglich die Kalkulation ihrer Grundmiete offengelegt habe. Es steht einem Vermieter zwar frei, im Mietvertrag seine Kalkulation der Miete offenzulegen. Das gilt auch für Verwaltungskosten, die der Vermieter wie andere nicht gesondert umlegbare Kosten in die Grundmiete einpreisen kann, mit der Folge, dass der Gesamtbetrag die Ausgangsmiete bildet, die im Falle späterer Mieterhöhungen der ortsüblichen Vergleichsmiete gegenüberzustellen ist (§ 558 Abs. 1 BGB).

Muss der Vermieter einen Telefonanschluss zur Verfügung stellen?

Muss der Vermieter einen Telefonanschluss zur Verfügung stellen?

Ich möchte Sie über eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 5. Dezember 2018 – VIII ZR 17/18) zum Mietrecht informieren, die sich mit der Gebrauchsgewährungs- und -erhaltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB bezüglich eines in der Mietwohnung vorhandenen Telefonanschlusses beschäftigt:

In seinem Revisionsurteil vom 5. Dezember 2018 (Az. VIII ZR 17/18) konkretisierte der BGH die Fälle, in denen der Mieter aus § 535 Abs.1 S.2 BGB einen Anspruch auf Instandhaltung der Telefonleitung gegen den Vermieter hat.

Der Entscheidung lag die Klage einer Mieterin zugrunde, mit welcher sie vom Vermieter die Instandsetzung der Telefonleitung vom im Keller des Mehrfamilienhauses befindlichen Hausanschlusspunkt bis zu der Telefondose in ihrer Wohnung begehrte. Seit dem Einzug im Jahr 2011 waren Telefongespräche sowie die Nutzung des Internets über diese Telefonleitung möglich, bis es im Jahr 2015 zu einem Defekt an der Leitung kam.

Der BGH berief sich in seinem Urteil auf die Gebrauchsgewährungs- und -erhaltungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs.1 S.2 BGB. Demgemäß habe der Vermieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und diesen während der Mietzeit zu erhalten. Der Umfang des geschuldeten Zustands richte sich vorrangig nach den vertraglichen Bestimmungen. Fehle es an einer diesbezüglichen Vereinbarung, sei eine Auslegung anhand der Umstände des Mietverhältnisses unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung sowie Treu und Glauben vorzunehmen.

Der BGH ließ offen, ob zu dem Mindeststandard einer zeitgemäßen Wohnnutzung neben einer Stromversorgung, die den gleichzeitigen Betrieb einer Waschmaschine und eines weiteren elektrischen Geräts ermöglicht, auch ein funktionierender Telefonanschluss gehöre. Sei die Wohnung aber mit einer sichtbaren Telefonsteckdose ausgestattet, gehöre im Wege ergänzender Vertragsauslegung zum vertragsgemäßen Zustand auch ein funktionstüchtiger Telefonanschluss. Der Mieter müsse den Telefonanschluss nach Abschluss eines Vertrages mit einem Telekommunikationsanbieter ohne Weiteres nutzen können, ohne Verkabelungsarbeiten an der im Haus verlegten Leitung vorzunehmen. Insofern habe der Vermieter auch für die außerhalb der Wohnung befindlichen und nicht ausdrücklich mitvermieteten Telekommunikationskabel einzustehen, da sie zumindest mittelbar dem Mietgebrauch unterliegen.

Der BGH wandte sich damit ausdrücklich gegen die teilweise in der Instanzrechtsprechung vertretene Auffassung, bei einem späteren Defekt des Anschlusskabels und einem mitvermieteten Telefonanschluss habe der Vermieter die Reparatur des Mieters zu dulden, jedoch nicht selbst vorzunehmen (AG Neukölln, Urteil vom 2. März 2011 – 5 C 340/10; LG Göttingen, Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 S 53/12; LG Berlin, Urteil vom 12. September 2014 – 63 S 151/14).

Abgrenzung Eigenbedarf und Verwertung

 Bundesgerichtshof führt seine Rechtsprechung zur Anwendung der Generalklausel bei Wohnraumkündigungen fort

Urteil vom 10. Mai 2017, AZ. VIII ZR 292/15

Der Bundesgerichtshof hat sich in dieser Entscheidung erneut mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter nach der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB (hier zwecks Durchführung eines sozialen Wohngruppenprojekts durch einen Dritten) wirksam ist. Unter welchen Voraussetzungen der Vermieter einen Wohnraummietvertrag aufgrund der Generalklausel kündigen kann, hängt davon ab, ob sein Interesse am Ende des Mietverhältnisses eher mit Eigenbedarf oder eher mit einer wirtschaftlichen Verwertung vergleichbar ist. Im ersten Fall sind die Hürden niedriger als im zweiten.

Hintergrund: Vermieter will Wohnprojekt verwirklichen

Der Vermieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus – ein eingetragener Verein – verlangt von den Mietern die Räumung. Das Mietverhältnis besteht seit 1996. Der Verein hat das Hausgrundstück, auf dem sich auch eine Scheune und ein Nebengebäude befinden, 2014 erworben. Der Vermieter ist an einer Gesellschaft beteiligt, die Trägerin verschiedener sozialer Einrichtungen ist. Die Gesellschaft plant, den Gebäudekomplex mithilfe staatlicher Fördermittel zu sanieren und für ein soziales Wohnprojekt umzugestalten. Insgesamt sollen 23 Wohnplätze sowie eine Tischlerei und eine weitere Werkstatt entstehen. Der Vermieter will das Grundstück an die Gesellschaft vermieten.

Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis über die Wohnung. Er berief sich darauf, dass das geplante Projekt anderenfalls nicht realisiert werden könne. Die volle staatliche Förderung setze voraus, dass möglichst viele Wohnplätze entstehen. In der betreffenden Wohnung sind drei Wohnplätze geplant. Die Mieter widersprachen der Kündigung. Obwohl die Mieter nicht auszogen, begann der Vermieter mit der Umsetzung des Projekts. In der Zwischenzeit werden mehrere Räume im Wohnhaus dem Projektziel entsprechend genutzt.

Entscheidung: Nicht mit Eigenbedarf vergleichbar

Die Kündigung ist unwirksam. Der Vermieter hat kein berechtigtes Interesse, das Mietverhältnis zu beenden. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses hätte für ihn keinen Nachteil von einigem Gewicht zur Folge.

Der BGH überträgt seine im Urteil vom 29.3.2017, VIII ZR 45/16 entwickelte Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Anwendung der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB bei einem Geschäftsbedarf des Vermieters auf weitere Fälle des Nutzungsbedarfs des Vermieters. Auch im vorliegenden Fall war einer der typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 BGB, in denen der Gesetzgeber für die praktisch wichtigsten Fälle geregelt hat, wann der Erlangungswunsch des Vermieters Vorrang vor dem Bestandsinteresse des Mieters hat, nicht einschlägig. Es kommt daher allein die Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht. Bei deren Anwendung sind die beiderseitigen Belange der Vertragsparteien gegeneinander abzuwägen. Allgemein verbindliche Betrachtungen verbieten sich dabei.

Mit welchem Regeltatbestand ist die Interessenlage vergleichbar?

Die typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 BGB geben allerdings einen ersten Anhalt für die erforderliche Interessenabwägung. Die für die Anerkennung eines berechtigten Interesses erforderliche Gewichtigkeit der geltend gemachten Belange hängt davon ab, mit welchem Regeltatbestand das geltend gemachte Interesse am ehesten vergleichbar ist.

Wenn das Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses eine größere Nähe zum Eigenbedarf aufweist, reicht es regelmäßig aus, dass die Vorenthaltung der Mieträume für den Vermieter einen beachtenswerten Nachteil begründet.

Ist das angeführte Interesse dagegen mehr mit der von § 573 Abs.2 Nr. 3 BGB erfassten wirtschaftlichen Verwertung vergleichbar, muss der Fortbestand des Mietvertrages für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen.

Gemeinnützigkeit mit Eigenbedarf nicht vergleichbar

Im vorliegenden Fall will der Vermieter die Räume zwar aus Gründen der Gemeinnützigkeit Wohnzwecken zuführen und den Bewohnern eine Betreuung zukommen lassen. Dieses Nutzungsinteresse bleibt allerdings deutlich hinter dem Interesse beim Eigenbedarf zurück. Zudem verfolgt der Vermieter eigene wirtschaftliche Interessen und ist als Gesellschafter an einem möglichen Gewinn beteiligt.

Alles in allem ist das Interesse des Vermieters näher an einer Verwertungskündigung als am Eigenbedarf. Um eine Kündigung rechtfertigen zu können, müsste er daher einen Nachteil von einigem Gewicht darlegen können. Dies kann der Vermieter indes nicht, zumal das Projekt nicht gefährdet ist, wenn das Mietverhältnis fortgesetzt wird. Eine Folge ist lediglich, dass drei der geplanten 23 Wohnplätze nicht geschaffen werden können.